Der VVS und die Verkehrsunternehmen in der Region Stuttgart können angesichts wieder steigender Fahrgastzahlen im ersten Halbjahr eine deutlich bessere Bilanz ziehen als noch im Vorjahr – insgesamt wurden 156 Millionen Fahrten mit den Bussen und Bahnen im VVS unternommen. Die Nachfrage ist dabei von Monat zu Monat gestiegen.
Während das erste Quartal noch stark geprägt war von den Restriktionen durch die Corona-Pandemie, sorgten die Lockerungen im zweiten Quartal mit deutlich mehr Veranstaltungen für ein kräftiges Wachstum im Vergleich zu 2021. Ein absoluter Booster für den Nahverkehr war dann im Juni das äußerst preisgünstige und bundesweit gültige 9-Euro-Ticket. Trotz Optimismus hinsichtlich weiter steigender Fahrgastzahlen, blickt der VVS mit großer Sorge auf die explodierenden Kosten im Nahverkehr. Die stark gestiegenen Energiepreise belasten die Verkehrsunternehmen in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Hier muss die Bundes- und Landespolitik die finanziellen Rahmenbedingungen baldmöglichst ändern.
Zu Beginn des Jahres 2022 sorgte die Omikron-Variante dafür, dass die Neuinfektionen abermals gestiegen sind. Es gab noch zahlreiche Restriktionen im öffentlichen Leben: Messen und Großveranstaltungen wurden abgesagt, viele Arbeitnehmer waren überwiegend im Home-Office und die Bahnen und Busse durften nur von Fahrgästen genutzt werden, die geimpft, genesen oder getestet waren (3G-Regel). Diese öffentlichen Einschränkungen sorgten für eine starke Zurückhaltung in der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Fahrgastzahlen waren aber dennoch höher als im Vorjahr, weil Schulen und Hochschulen in den ersten Monaten des Jahres 2021 noch nahezu komplett geschlossen waren.
Anfang April 2022 sind die meisten Einschränkungen weggefallen, das öffentliche Leben kehrte zurück. So gab es beispielsweise erstmals wieder Großveranstaltungen wie das Frühlingsfest, Konzerte auf dem Wasen oder Bundesligaspiele des VfB vor vollem Haus. Das sorgte auch für eine bessere Nachfrage in den Bahnen und Busse. In den ersten sechs Monaten wurden rund 156 Millionen Fahrten im VVS unternommen. Das sind knapp 43 Millionen Fahrten (+ 38 Prozent) mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2019 – also vor Corona – sind das aber immer noch etwa 20 Prozent weniger Fahrten.
Als im Juni – sehr kurzfristig und auf Initiative des Bundes – das 9-Euro-Ticket eingeführt wurde, sind die Fahrgastzahlen weit überdurchschnittlich gestiegen: „Schon vor dem 9-Euro-Ticket ging es kontinuierlich aufwärts. Durch das 9-Euro-Ticket wurde im Juni sogar das Niveau der Zeit vor Corona erreicht. Vor allem Regionalzüge waren sehr gut besetzt. Wir sind sehr gespannt, wie sich die guten Erfahrungen der meisten Kundinnen und Kunden mit dem 9 Euro-Ticket auf die Nachfrage im Herbst auswirken werden“, sagte VVS-Geschäftsführer Thomas Hachenberger.
„Die Erfahrungen mit dem 9-Euro-Ticket müssen in den nächsten Wochen bundesweit sorgfältig evaluiert werden, vor allem mit Blick auf die gegenwärtige Diskussion um ein möglichst nachhaltiges Nachfolgeprodukt. Aktuell stehen die Verkehrsunternehmen aufgrund der galoppierenden Energiepreise vor großen finanziellen Problemen. Daher hat die Finanzierung des bestehenden Verkehrsangebotes für uns eine höhere Priorität“, führt Geschäftsführerkollege Horst Stammler aus. Thomas Hachenberger bekräftigte in diesem Zusammenhang die Forderung der ÖPNV-Branche und der Bundesländer die Regionalisierungsmittel für den notwendigen Ausbau der Verkehrsangebote dauerhaft um mindestens 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. „Zur Unterstützung der Verkehrsunternehmen in der teils existenziellen Lage durch explodierende Treibstoff- und Bahnstromkosten – gerade auch nach Auslaufen des Tankrabatts – sind weitere Mittel erforderlich, die die Kommunen alleine nicht stemmen können“, so Hachenberger.
Die Zahl der Fahrten im Berufsverkehr ist verglichen mit dem Vorjahr um über 2,4 Millionen Fahrten – das sind 5,5 Prozent – gestiegen. Nimmt man 2019 als Basis, liegt der Rückgang jedoch bei 35 Prozent. Der starke Rückgang hat statistische Gründe, da das 9-Euro-Ticket dem Gelegenheitsverkehr zugerechnet wurde. Das bundesweit gültige Ticket hat dafür gesorgt, dass im Juni überhaupt keine klassischen Wochen- und Monatstickets verkauft wurden. Es bleibt abzuwarten, wie die Akzeptanz der Ticketangebote im Herbst aussehen wird, wenn es – je nach Pandemielage – ggf. weitere Verpflichtungen der Arbeitgeber im Bereich „Home-Office“ geben sollte.